Ausschreibung des Papierfresserchen-Verlags zur Anthologie "Wo die wilden Geister wohnen".
Mein Text wurde ausgewählt...juchu. Daher gibt es hier nur der Anfang.
Die Geschichte geht auf ein Video zurück, das ich mit meinen Kindern gedreht hatte.

Erwischt

Sie hat das Haus natürlich schon unzählige Male betreten.

Aber heute ist etwas anders.

Sie kann es genau spüren.

Vielleicht ist es einfach diese eigenartige Stille?

War es denn hier früher nie still? Aber eigentlich ist Stille doch gut. Es bedeutet, da ist niemand. Sie will nicht erwischt werden.

Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss und sie zuckt kurz zusammen.

Kein Problem. Nur die Tür.

Sie schleicht vorsichtig durch die kleine Eingangshalle und betritt das dunkle Wohnzimmer. Schwere Vorhänge verschließen den Blick nach draußen und sperren das grelle Abendlicht aus.

Also nur Schatten. Alles ist grau. Die alten Sessel und die dunklen Stühle. An den Wänden Bilder, von denen sie nur die geschwungenen Rahmen erkennt.

Sie hat all das schon so oft gesehen, aber jetzt kann sie sich nicht mehr daran erinnern.

Vielleicht hat sie auch einfach keine Zeit.

Was ist auf den Bildern?

Erst jetzt bemerkt sie ihren schweren Atem. So schwer wie die Vorhänge. Da ist also doch ein Geräusch.

Ein, aus.

Als wäre das gar nicht sie selbst, als wäre da noch jemand, direkt neben ihr.

Ein, aus.

Aber warum sollte sie Angst haben? Das ist absurd.

Klack.

Klack?

Ihr Atem geht schneller.

Kam das Geräusch von unten?

Sie fühlt wie ein Blinder an der Wand entlang, zu einer Tür, die in den Keller führt.

Sie öffnet die Tür, aber da ist nichts mehr, nur noch mehr Stille.

Ein hölzernes Geländer führt hinab in die Dunkelheit.

Ganz sicher kam das Geräusch von dort.

Irgendwo da im Schwarz.

Sie geht durch die Tür.

Warum geht sie nach unten?

Nur Idioten in schlechten Filmen würden jetzt die Kellertreppe hinuntergehen.

Aber sie sieht, wie sie sich am Geländer festhält und ihre Füße eine Stufe nach der anderen hinabsteigen.

Also noch ein Geräusch.

Taps.

Taps.

Ihre langsamen Schritte auf den quietschenden Stufen.

Wo war der Lichtschalter?

Aber sie kennt diese Treppe doch.

Sie dreht sich um und sieht am Ende der Stufen das schwache Licht, das jetzt aus der Tür von oben hinunter scheint.

Unten wird es auch wieder einen Lichtschalter geben. Kein Problem.

Sie öffnet vorsichtig die Tür, die in den Keller führt.

Ist sie verrückt?

Verschwinde!

Überall sollte sie sein, aber nicht hier unten.

Im Keller ist bereits hell.

Nur ein wenig.

Sollte es das?

Aber Licht ist gut.

Klack.

Da wieder das Geräusch.

Welches Geräusch macht ihr Atem?

Ein, aus.

Hat sie Angst?

Der Keller besteht aus vielen kleinen Räumen.

Unsinn, es sind nur drei, das sind nicht viele.

Aber genug Wände, genug Winkel, genug Schatten.

Klack.

Ein, aus.

Also doch Angst.

Danke, Atem.

Das Geräusch kommt direkt dort drüben aus dem kleinen Zimmer. Links.

Sie schleicht vorsichtig weiter.

Klack.

Klack.

Es ist doch hell.

Kein Grund sich zu fürchten.

Alles ist gut.

Es ist nur ...

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